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Geschäftsbericht der niedersächsischen Verwaltungsgerichtsbarkeit für das Jahr 2022: Asyleingänge bei den Verwaltungsgerichten steigen wieder und gelungener Verfahrensabbau verlangsamt sich

Am heutigen Tag wurde der Geschäftsbericht der Vizepräsidentin des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts Andrea Blomenkamp über die Geschäftsentwicklung in der niedersächsischen Verwaltungsgerichtsbarkeit im Jahr 2022 veröffentlicht.

Die statistischen Zahlen über die Belastungssituation an den Verwaltungsgerichten zeigen eine besorgniserregende Trendumkehr: Zwar ist auch im Jahr 2022 dank der vorbildlichen Anstrengung aller Beschäftigten und ihrem außerordentlichen Engagement ein weiterer Abbau der aufgrund langjähriger Überbelastung aufgelaufenen hohen Bestände gelungen. Aber erstmals seit mehreren Jahren sind die Asyleingänge bei den Verwaltungsgerichten wieder gestiegen (Asylklagen um fast 17 % und Asyl-Eilverfahren sogar um 33 % gegenüber dem Vorjahr). Asylverfahren haben damit wieder mehr als 40 % der Gesamteingänge eingenommen. Diese Eingangsentwicklung verschlimmert die ohnehin schon seit Jahren bestehende Belastungssituation: Der in den Vorjahren gelungene Verfahrensabbau verlangsamte sich und der Gesamtbestand lag in 2022 mit mehr als 24.000 Verfahren noch immer auf einem sehr hohen Niveau. Dies führte zu einer bedenklichen Erhöhung der Verfahrensdauer bei erstinstanzlichen Klageverfahren auf durchschnittlich 21,5 Monate und einer alarmierenden Zahl von überjährigen Altverfahren, die 13-mal höher ist als vor der Asylwelle 2015. Die Ursache hierfür ist für die Vizepräsidentin des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts klar: „Die seit Jahren überschrittene Grenze der Pro-Kopf-Eingangsbelastung in erster Instanz hat sich zu einer dauerhaften Überbelastung aufgrund aufgelaufener Bestände verstetigt. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist zwar seit Beginn der Asylwelle im Jahr 2015 personell verstärkt worden, dies reichte aber nach der maßgeblichen Personalbedarfsberechnung bis heute nicht einmal aus, um die jährlichen Gesamteingänge erledigen zu können. Die zwangsläufige Folge einer inzwischen fast 10-jährigen Überbelastung sind Verfahrensbestände, die immer älter werden und mit dem vorhandenen Personalbestand nicht mehr signifikant abgebaut werden können.

Angesichts dieser Situation erscheint ein Festhalten an der Verpflichtung, erstinstanzliche Richterstellen abzubauen, äußerst kontraproduktiv. „Ein dringender Appell richtet sich daher an den Haushaltsgesetzgeber, die bis Ende 2029 vorgesehenen Stellenabbauverpflichtungen zumindest an die Altersabgänge anzupassen und dementsprechend bis in die Jahre 2030/2031 zeitlich zu strecken sowie sich bei der Personalausstattung nicht nur an den aktuellen Eingängen zu orientieren“, so Andrea Blomenkamp. Dass mit einer ausreichenden Personalausstattung aufgelaufene Bestände effektiv zurückgeführt werden können, zeigen demgegenüber die Zahlen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts für das Jahr 2022: Aufgrund der erstmals wieder unter ein Normalpensum gesunkenen Arbeitsbelastung konnten bei gesunkenen Eingangszahlen die Verfahrensbestände um über 17 % abgebaut werden.

Eine erfreuliche Entwicklung zeigt sich auch im Gerichtsalltag des vergangenen Jahres: Nach dem Ende der pandemie-bedingten Kontaktbeschränkungen ist im Jahr 2022 wieder mehr persönliche Begegnung in die Gerichte zurückgekehrt. Aber auch die zuvor anlässlich der Corona-Pandemie etablierte und nun nicht mehr wegzudenkende Arbeit im Homeoffice hat mit der dadurch neu gewonnenen Flexibilität positiven Einfluss auf die Arbeitsabläufe. Hierzu haben auch der elektronische Rechtsverkehr und die elektronische Gerichtsakte einen maßgeblichen Beitrag geleistet, die inzwischen in der niedersächsischen Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Allerdings hat die am Oberverwaltungsgericht mit viel Zeitaufwand und überobligatorischem Engagement der eingesetzten Kolleginnen und Kollegen vorangetriebene vollständige Umstellung auf das digitale Arbeiten aktuell einen äußerst enttäuschenden Rückschlag erlitten: Wegen unvorhersehbarer und noch nicht gelöster technischer Probleme musste die für Anfang Juni 2023 geplante Umstellung auf die elektronische Gerichtsakte verschoben werden – mit noch nicht absehbaren Auswirkungen auf den Zeitplan.

Einzelheiten zur Geschäftsentwicklung können dem Geschäftsbericht für das Jahr 2022 entnommen werden, der in elektronischer Form dieser Pressemitteilung beigefügt ist und auf der Homepage des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts abgerufen werden kann. Ferner finden Sie im Geschäftsbericht einen Überblick über die Entscheidungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, die im Jahr 2022 auf ein besonderes öffentliches Interesse gestoßen sind.

 

Artikel-Informationen

erstellt am:
02.06.2023

Ansprechpartner/in:
RiOVG Harald Kramer

Nds. Oberverwaltungsgericht
Pressestelle
Uelzener Straße 40
21335 Lüneburg
Tel: 04131/718-127
Fax: 05141/5937-32300

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