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OVG bestätigt Allgemeinverfügung aus Anlass des Castor-Transports in das Zwischenlager Gorleben

Die Deutsche Bahn (DB) Nuclear Cargo und Service GmbH Hanau ist aufgrund einer vollziehbaren Genehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz in Salzgitter vom 27. April 2004 berechtigt, bis einschließlich 31. Dezember 2004 radioaktive Abfälle aus der Wiederaufbereitungsanlage in La Hague in das dafür vorgesehene Zwischenlager Gorleben zu transportieren. Am 23. Oktober 2004 machte die Bezirksregierung Lüneburg – Antragsgegnerin - unter Anordnung der sofortigen Vollziehung eine Allgemeinverfügung bekannt, wonach u.a. alle unangemeldeten öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge für den Zeitraum vom 6. November 2004, 00.00 Uhr, bis zum 16. November 2004, 24.00 Uhr, und alle öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge für den Zeitraum vom 8. November 2004, 00.00 Uhr, bis zum 16. November 2004, 24.00 Uhr, in einem im Einzelnen dargestellten Korridor untersagt wurden. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. – Antragstellerin – meldete am 9. Oktober 2004 einen "Testlauf " unter dem Motto "fit gegen Castor" von Langendorf nach Groß Gusborn und von Groß Gusborn nach Langendorf aus beiden Richtungen für den 8. November 2004 von 13.00 – 15.00 Uhr an. Die Antragsgegnerin teilte daraufhin mit, die Veranstaltung falle in den zeitlichen und räumlichen Geltungsbereich der Allgemeinverfügung und sei deshalb untersagt, ohne dass es einer individuellen Gefahrenprognose bedürfe.

Der hiergegen gerichtete Antrag der Bürgerinitiative auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes hatte beim Verwaltungsgericht Lüneburg teilweise Erfolg. Dieses stellte mit Beschluss vom 3. November 2004 (3 B 66/04) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Allgemeinverfügung wieder her, soweit darin untersagt werden (a) angemeldete öffentliche Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel außerhalb des Bereichs der Schienentransportstrecke von Lüneburg nach Dannenberg sowie (b) unangemeldete öffentliche Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel außerhalb des Bereichs der Schienentransportstrecke von Lüneburg nach Dannenberg für den Zeitraum vom 6. November 2004, 00.00 Uhr, bis zum 7. November 2004, 24.00 Uhr. Das Versammlungsverbot für die Schienenstrecke und die Untersagung unangemeldeter öffentlicher Versammlungen ab 8. November 2004 bestätigte das Verwaltungsgericht als rechtmäßig.

Auf die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht Lüneburg – 11. Senat – mit Beschluss vom heutigen Tage (11 ME 322/04) die Allgemeinverfügung auch im Hinblick auf deren vom Verwaltungsgericht beanstandeten Regelungen als offensichtlich rechtmäßig bestätigt. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts würde dazu führen, dass der von der Antragsgegnerin angeordnete Korridor von 50 m beiderseits sowohl der Bahnstrecke als auch der Straßenstrecke sowie näher bezeichnete Flächen um den Bahnhof in Lüneburg, die Umladestation in Dannenberg und den Eingang des Zwischenlagers vom generellen präventiven Versammlungsverbot in der sog. heißen Phase des Castor-Transports ausgenommen würden. Dies würde jedoch zu unmittelbaren Gefährdungen bzw. Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen, weil konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Transportstrecke über einen

möglichst langen Zeitraum von Castorgegnern blockiert werden soll und dabei auch Sachbeschädigungen in Kauf genommen werden. Zwar hat die Gewaltbereitschaft und Aggressivität der Castorgegner insgesamt abgenommen. Doch ist es nach wie vor das erklärte Ziel eines nicht unwesentlichen Teils der Castorgegner, den Castor-Transport durch Blockaden aufzuhalten oder ihn zumindest zu erschweren. Insbesondere die Initiative "X-tausendmal quer" und die Gruppe "Widersetzen" rufen ihre Anhänger zu Blockadeaktionen auf der Transportstrecke auf. Zwar bestreite die Antragstellerin, irgendwelche Blockadeabsichten zu haben. Sie muss sich aber entgegenhalten lassen, dass sie selbst in einer Zeitungsanzeige zumindest den Eindruck erweckt habe, sich in gewisser Weise an Blockadeaktionen zu beteiligen.

Es gibt außerdem Indizien dafür, dass über die reinen Blockadeaktionen hinausgehend auch Sachbeschädigungen auf der Schienen- und Transportstrecke geplant sind. Daneben scheint ein Teil der Protestszene auch eine Strategie der Unberechenbarkeit zu verfolgen, indem polizeiliche Kräfte an bestimmte Orte gelockt und dadurch gebunden werden, während gleichzeitig andernorts Blockade- und Sabotageaktionen vorgenommen werden.

Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines polizeilichen Notstandes sind nach alledem entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang erfüllt.

Die Antragstellerin kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg darauf berufen, selbst nur friedlich demonstrieren zu wollen. Denn eine Allgemeinverfügung dient der Regelung bestimmter zukünftiger Sachverhalte gegenüber allen potentiell hiervon Betroffenen. Sie betrifft deshalb nicht nur die Antragstellerin, sondern alle in Betracht kommenden Demonstrationsteilnehmer. Im Übrigen fehlt jegliche Distanzierung der Antragstellerin von den seitens der Gruppen "X-tausendmal quer" und "Widersetzen" beabsichtigten Blockadeaktionen.

Artikel-Informationen

Ansprechpartner/in:
RiOVG Dr. Jürgen Rettberg

Nds. Oberverwaltungsgericht
Pressestelle
Uelzener Str. 40
21335 Lüneburg
Tel: 04131 718-187
Fax: 04131 718-208

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