Artikel-Informationen
erstellt am:
14.01.2008
zuletzt aktualisiert am:
16.06.2010
Ansprechpartner/in:
RiOVG Dr. Jürgen Rettberg
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 10. Senat - hat am 8. und 9. Januar 2008 über die Anträge der Provinzial Lebensversicherung Hannover und der Landschaftlichen Brandkasse Hannover entschieden, mit denen diese öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Zeichnung von Versicherungen durch die Öffentliche Lebensversicherung Braunschweig und die Öffentliche Sachversicherung Braunschweig im Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirk Aurich begehrten. Hintergrund der Verfahren ist ein bereits seit Jahren dauernder Streit um Zeichnungsrechte für Lebensversicherungen und Unfall- und Kraftfahrzeugversicherungen in Ostfriesland.
Die Antragstellerinnen sind rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts und bilden die Versicherungsgruppe Hannover (VGH). Die Provinzial Lebensversicherung Hannover wurde 1918 als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts der damaligen preußischen Provinz Hannover errichtet und betreibt in Niedersachsen, u.a. auch im ehemaligen Regierungsbezirk Aurich, die Lebensversicherung. Die Landschaftliche Brandkasse Hannover betreibt seit 1983 in diesem Gebiet die Unfall- und Kraftfahrzeugversicherungen, nachdem sie diese Versicherungssparten von der Provinzial Lebensversicherung Hannover übernommen hatte. Anlass der Übernahme war eine Änderung des Versicherungsaufsichtgesetzes, nach der die Versicherungssparten der Lebensversicherung und der Schadensversicherung nicht mehr gemeinsam von einem Unternehmen angeboten werden durften. Die Provinzial Lebensversicherung hatte bis zu diesem Zeitpunkt beide Versicherungssparten betrieben.
Die Antragsgegnerinnen, die Öffentliche Lebensversicherung Braunschweig und die Öffentliche Sachversicherung Braunschweig, betreiben satzungsgemäß die Lebensversicherung und die Unfall- und Kraftfahrzeugversicherung im Gebiet des ehemaligen Freistaats Braunschweig. Der Ostfriesischen Landschaftlichen Brandkasse, die als Beigeladene an den Verfahren beteiligt ist, ist durch ihre Satzung der ehemalige Regierungsbezirk Aurich als Geschäftsgebiet zugewiesen. Ihr Unternehmenszweck ist der Betrieb der Schadenversicherung mit Ausnahme der Kraftfahrtversicherung. Nach ihrer Satzung kann sie auch Versicherungsverträge anderen Unternehmen vermitteln.
Nachdem Ende der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts eine Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen der VGH und der Ostfriesischen Landschaftlichen Brandkasse gescheitert war, suchte die Ostfriesische Landschaftliche Brandkasse einen Produktgeber für die von ihr selbst nicht angebotenen Versicherungssparten im ehemaligen Regierungsbezirk Aurich, insbesondere für die Lebensversicherung und die Unfall- und Kraftfahrzeugversicherung. Ab Ende 2003 traten die Öffentliche Lebensversicherung Braunschweig und die Öffentliche Sachversicherung Braunschweig als Produktgeber für die Ostfriesische Landschaftliche Brandkasse auf. Dieser Geschäftstätigkeit im ehemaligen Regierungsbezirk hatten die Provinzial Lebensversicherung Hannover und die Landschaftliche Brandkasse Hannover zugestimmt, ihr Einverständnis aber bis Ende 2006 befristet.
Nachdem sich in der folgenden Zeit ein einvernehmliches Verhältnis der Unternehmen nicht mehr herstellen ließ, erklärten die Unternehmen der VGH, dass sie ab 2007 mit einer weiteren Geschäftstätigkeit der Öffentlichen Lebensversicherung Braunschweig und der Öffentlichen Sachversicherung Braunschweig im ehemaligen Regierungsbezirk Aurich nicht mehr einverstanden seien; sie forderten die Braunschweiger Unternehmen auf, ihre Tätigkeit dort einzustellen. Die Öffentliche Lebensversicherung Braunschweig und die Öffentliche Sachversicherung Braunschweig beriefen sich demgegenüber auf die Vereinbarung mit der Ostfriesischen Landschaftlichen Brandkasse, die ihnen wirksam Versicherungen in Ostfriesland vermitteln könne.
Die Unternehmen der VGH haben daraufhin beim Verwaltungsgericht Braunschweig Klage erhoben und um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat die Anträge abgelehnt.
Der Beschwerde der Provinzial Lebensversicherung Hannover gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Braunschweig (Az.: 10 ME 108/07) hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 10. Senat - stattgegeben und der Öffentlichen Lebensversicherung Braunschweig untersagt, im ehemaligen Regierungsbezirk Aurich Lebensversicherungen zu zeichnen. Die Provinzial Lebensversicherung Hannover kann dieses Gebiet für sich als Geschäftsgebiet beanspruchen und aufgrund eines sich daraus ergebenden Unterlassungsanspruchs der Öffentlichen Lebensversicherung Braunschweig untersagen, in dem ehemaligen Regierungsbezirk Aurich Lebensversicherungen zu zeichnen. Dieser Anspruch leitet sich aus § 3 des Gesetzes über die öffentlich-rechtlichen Versicherungen in Niedersachsen vom 10. Januar 1994 - NöVersG - ab, in dessen § 1 das Regionalprinzip geregelt ist, nach dem die in § 1 Abs. 1 des Gesetzes genannten öffentlich-rechtlichen Versicherungen ihre bisherigen Geschäftsgebiete beibehalten. § 3 Abs. 2 NöVersG sieht vor, dass von öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen Versicherungsverträge im Geschäftsgebiet anderer öffentlich-rechtlicher Versicherungsunternehmen nur mit deren Einverständnis geschlossen werden dürfen. Dieses Einverständnis der Provinzial Lebensversicherung Hannover liegt seit dem 1. Januar 2007 für das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Aurich nicht mehr vor. Die Ostfriesische Landschaftliche Versicherung kann der Öffentlichen Lebensversicherung Braunschweig auch nicht die Befugnis verleihen, ohne die Zustimmung der Provinzial Lebensversicherung Hannover in Ostfriesland Versicherungen zu zeichnen. Der Unternehmenszweck der Ostfriesischen Landschaftlichen Versicherung ist nicht der Betrieb der Lebensversicherung, so dass dieses Unternehmen einem anderen Unternehmen auch nicht den Betrieb einer solchen Versicherungssparte in seinem Gebiet gestatten kann.
Ohne Erfolg blieb dagegen die Beschwerde der Landschaftlichen Brandkasse Hannover (Az.: 10 ME 109/07). Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 10. Senat - hat insoweit entschieden, dass die durch Satzung geregelte Befugnis der Landschaftlichen Brandkasse Hannover, im ehemaligen Regierungsbezirk Aurich die Unfall- und Kraftfahrzeug-versicherung zu betreiben, nicht zugleich die Zuweisung dieses Gebiets als Geschäftsgebiet umfasst. Eine solche Zuweisung durch das NöVersG wäre aber erforderlich gewesen, um einem anderen Versicherungsunternehmen das Zeichnen von Versicherungen in Ostfriesland untersagen zu können.
Artikel-Informationen
erstellt am:
14.01.2008
zuletzt aktualisiert am:
16.06.2010
Ansprechpartner/in:
RiOVG Dr. Jürgen Rettberg