Artikel-Informationen
erstellt am:
29.01.2025
Ansprechpartner/in:
RiOVG Marcus Hettig
Nds. Oberverwaltungsgericht
Pressestelle
Uelzener Straße 40
21335 Lüneburg
Tel: 04131/718-174
Fax: 05141/5937-32300
Der 10. Senat hat mit Urteil vom 28. Januar 2025 die §§ 1 Nr. 1 Buchst. a) und 2 i. V. m. Anlagen 1 und 2 der Niedersächsischen Verordnung über düngerechtliche Anforderungen zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat oder Phosphat vom 3. Mai 2021 (NDüngGewNPVO) in der durch die Verordnung vom 27. Oktober 2023 geänderten Fassung für unwirksam erklärt, soweit damit nitratbelastete Gebiete (Gebietskulisse Grundwasser) ausgewiesen werden (Az.: 10 KN 66/22).
Mit der NDüngGewNPVO werden in Niedersachsen Vorgaben der Düngeverordnung (DüV) des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sowie der zusätzlich durch die Bundesregierung erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten (AVV GeA) umgesetzt. Nach der DüV sind durch die landesrechtliche Verordnung unter anderem solche Gebiete auszuweisen, in denen die im Grundwasser gemessenen Nitratwerte bestimmte Höchstgrenzen überschreiten (sogenannte „rote Gebiete“). Dort sollen dann besondere bundesrechtliche und weitere spezifische landesrechtliche, durch die NDüngGewNPVO bestimmte Beschränkungen beim Düngen gelten. Insbesondere gegen die Ausweisung dieser „roten Gebiete“ durch die NDüngGewNPVO haben sich zahlreiche niedersächsische Landwirte mit Normenkontrollanträgen gewandt. Sie erachten das Vorgehen bei der Ermittlung dieser Gebiete als fehlerhaft und die zusätzlichen Beschränkungen beim Düngen als unverhältnismäßig.
Der 10. Senat hat anhand des als Musterverfahren entschiedenen Normenkontrollverfahrens sich grundsätzlich stellende Fragen im Zusammenhang mit der Ausweisung der „roten Gebiete“ in Niedersachsen beantwortet:
Zwar seien die mit der Ausweisung solcher Gebiete verbundenen Beschränkungen der landwirtschaftlichen Tätigkeit grundsätzlich mit dem Eigentumsrecht und der Berufsfreiheit der betroffenen Landwirte vereinbar, da mit dem Grundwasserschutz und damit verbunden dem Schutz der menschlichen Gesundheit hoch- und damit hier vorrangige Gemeinwohlziele verfolgt würden.
Die „roten Gebiete“ seien jedoch fehlerhaft ermittelt worden.
Zum einen hätten die Vorgaben der AVV GeA als Verwaltungsvorschrift, welche die Art und Weise der in der DüV vorgeschriebenen Gebietsausweisung konkretisieren sollen, bereits in die DüV als Verordnung mit aufgenommen werden müssen. Denn allein durch eine gegenüber den betroffenen Landwirten und den Gerichten unverbindliche allgemeine Verwaltungsvorschrift sei das gewollte und erforderliche einheitliche Vorgehen der Bundesländer bei der Ermittlung der roten mit Nitrat belasteten Gebiete, für die die Düngeverordnung bundesweit einheitliche Beschränkungen beim Düngen vorsieht, nicht in der erforderlichen Verbindlichkeit und einer zur Zielerreichung geeigneten Weise hinreichend sichergestellt, zumal damit eine sachgerechte gerichtliche Überprüfung der Gebietsausweisung anhand konkreter verbindlicher und einheitlicher Vorgaben des Bundesnormgebers nicht ermöglicht werde.
Zum anderen stehe auch die in Niedersachsen angewandte Methode zur Ermittlung der „roten Gebiete“ nicht mit den Vorgaben der bundesrechtlichen Düngeverordnung in Einklang. So seien bei der Ermittlung der Ausdehnung der nitratbelasteten Gebiete in einem Grundwasserkörper regelmäßig auch in anderen Grundwasserkörpern gemessene Nitratwerte berücksichtigt worden. Dies entspreche weder den Vorgaben der Düngeverordnung, noch sei dies sachlich gerechtfertigt. Denn grundsätzlich könne nicht angenommen werden, dass durch die landwirtschaftliche Tätigkeit oberhalb eines Grundwasserkörpers, der grundsätzlich ein abgegrenztes Grundwasservolumen darstelle, die Nitratbelastung in anderen Grundwasserkörpern in relevanter Weise negativ beeinflusst werde. Zudem seien in den Grundwasserkörpern zum Teil nicht Gebiete um Messstellen von der Ausweisung als mit Nitrat belastet ausgenommen worden, obwohl sie die durch die Düngeverordnung vorgegebenen Voraussetzungen für eine Ausweisung - eine Nitratkonzentration von mehr als 50 mg/l oder mehr als 37,5 mg/l und zugleich einen steigenden Trend - nicht erfüllten. Vielmehr sei mit der konkreten Art und Weise der Ermittlung der Ausdehnung eines mit Nitrat belasteten Gebietes zum Teil das Vorliegen eines steigenden Trends selbst an einer Messstelle fingiert worden, an der die Nitratwerte tatsächlich keinen steigenden oder sogar einen fallenden Trend auswiesen.
Der Senat ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die nach §§ 1 Nr. 1 Buchst. a) und 2 i. V. m. Anlagen 1 und 2 NDüngGewNPVO vorgenommene Ausweisung von mit Nitrat belasteten Gebieten über die Landesfläche Niedersachsens insgesamt gegen höherrangiges Recht verstoße und daher unwirksam sei.
Hierauf beschränkt sich die Unwirksamkeitserklärung. Über die Rechtmäßigkeit der ebenfalls in der NDüngGewNPVO - optisch getrennt - erfolgten Ausweisung der Gebietskulisse Oberflächengewässer (sogenannte „gelbe Gebiete“) sei in dieser Sache nicht zu befinden gewesen, da die Antragsteller im konkreten Verfahren hiervon nicht betroffen seien; ihre Flächen befänden sich nur in der Gebietskulisse Grundwasser („rote Gebiete“).
Auch die weiteren Regelungen der NDüngGewNPVO seien nicht für ungültig zu erklären, da sie entweder (auch) für die Gebietskulisse Oberflächengewässer gelten würden oder sinnvoll auch ohne den ungültigen Teil bestehen bleiben könnten.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Diese kann nach der Zustellung des vollständigen Urteils innerhalb eines Monats eingelegt werden.
Die Entscheidung wird in der kostenfrei zugänglichen Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Justiz (https://voris.wolterskluwer-online.de, dort unter Inhaltsverzeichnis und Rechtsprechung) veröffentlicht werden.
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29.01.2025
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