Niedersachsen klar Logo

Eilanträge gegen Regelungen der Nds. Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 7. April 2020 erfolglos

Der 13. Senat hat gestern und heute in fünf Verfahren die gegen die (3.) Niedersächsische Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 7. April 2020 (im Folgenden: Verordnung) gerichteten Normenkontrolleilanträge abgelehnt.

In dem Verfahren 13 MN 67/20 machte der Antragsteller, der Inhaber einer Gärtnerei ist, geltend, die Regelung in § 9 Satz 1 der Verordnung sei unwirksam, soweit sie ihm den Verkauf von Blumen und anderen Pflanzen auf Wochenmärkten untersage.

Der 13. Senat ist zu der Feststellung gelangt, dass Überwiegendes dafürspreche, dass die Verordnung sich insoweit voraussichtlich als rechtmäßig erweise. Die Verordnung finde eine Rechtsgrundlage in § 32 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG -). Die Voraussetzungen für den Erlass der Verordnung lägen vor. Auch wenn nach derzeitigen Erkenntnissen nur ein kleiner Teil der Erkrankungen schwer verlaufe, könne eine ungebremste Erkrankungswelle aufgrund der bisher fehlenden Immunität und nicht verfügbarer Impfungen und spezifischer Therapien zu einer erheblichen Krankheitslast in Deutschland führen. Bei vielen schweren Verläufen müsse mit einer im Verhältnis zu anderen schweren akuten respiratorischen Infektionen (SARI) - vermutlich sogar deutlich - längeren intensivmedizinischen Behandlung mit Beatmung/zusätzlichem Sauerstoffbedarf gerechnet werden. Der Gefahr für das Gesundheitssystem und daran anknüpfend der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung könne derzeit, da weder eine Impfung noch eine spezifische Therapie in konkret absehbarer Zeit zur Verfügung ständen, nur dadurch begegnet werden, die Verbreitung der Erkrankung so gut wie möglich zu verlangsamen, die Erkrankungswelle auf einen längeren Zeitraum zu strecken und damit auch die Belastung am Gipfel leichter bewältigbar zu machen. Die danach vorliegenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG verpflichteten die zuständigen Behörden zum Handeln.

Es seien derzeit auch keine relevanten Fehler des vom Antragsgegner bei Erlass des § 9 Satz 1 der Verordnung betätigten Ermessens festzustellen, soweit damit der Verkauf von Blumen und anderen Pflanzen auf Wochenmärkten untersagt werde.

Insbesondere seien Art und Umfang der vom Antragsgegner konkret gewählten Schutzmaßnahme nicht ersichtlich ermessensfehlerhaft. Das auch nach einem nun bereits mehrere Wochen andauernden Infektionsgeschehen unverändert legitime Ziel der Verhinderung der Ausbreitung der von COVID-19 könne nur erreicht werden, wenn neben der Fallfindung mit Absonderung von Erkrankten und engen Kontaktpersonen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko sowie dem gezielten Schutz und der Unterstützung vulnerabler Gruppen auch "soziale" Distanz, vornehmlich verstanden als körperliche Distanz, geschaffen und ähnlich wirkende bevölkerungsbezogene antiepidemische Maßnahmen ergriffen werden. Dies könne auch Beschränkungen des unmittelbaren Kontakts zwischen verschiedenen Personen, gleich ob im öffentlichen oder im privaten Raum, rechtfertigen. Dies betreffe insbesondere Ansammlungen zahlreicher, untereinander nicht bekannter Personen.

Das Verbot, auf Wochenmärkten Blumen und andere Pflanzen zu verkaufen, sei geeignet und erforderlich. Die vorgenommene Beschränkung des Warenangebots von Wochenmärkten auf Lebensmittel führe auch nicht zu einer unangemessenen Belastung des Antragstellers.

Der mit der Beschränkung fraglos verbundene Eingriff in die Grundrechte des Antragstellers manifestiere sich voraussichtlich in Umsatzeinbußen, wobei diese nicht näher beziffert worden seien. Hinzu komme, dass die Beschränkung bis zum Ablauf des 19. April 2020 befristet sei. Diesem Eingriff ständen zudem mit der Gewährleistung der Gesundheit der Bevölkerung überwiegende öffentliche Interessen gegenüber.

Schließlich sei auch die vom Antragsteller geltend gemachte Ungleichbehandlung des Verkäufers von Blumen und anderen Pflanzen auf einem Wochenmarkt zum einen gegenüber den Verkäufern von Blumen und anderen Pflanzen im stationären Einzelhandel und zum anderen gegenüber den Verkäufern von Lebensmitteln auf einem Wochenmarkt sachlich gerechtfertigt und angemessen.

Im dem Verfahren 13 MN 77/20 wendete sich die Antragstellerin gegen die Schließung ihres Fitnessstudios. Der 13. Senat lehnte ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutz ab.

Auch die Schließung von Fitnessstudios sei eine Detailregelung des allgemeinen Abstandsgebots des § 2 der Verordnung, das der Senat auch zum jetzigen Zeitpunkt und unter Berücksichtigung des bisherigen Infektionsgeschehens und der Wirkung bereits getroffener Maßnahmen als eine zentrale und zwingend notwendige Schutzmaßnahme zur Verhinderung der Ausbreitung des Infektionsgeschehens ansehe. Das legitime Ziel der Verhinderung der Ausbreitung der von COVID-19 könne u. a. Beschränkungen des unmittelbaren Kontakts zwischen verschiedenen Personen rechtfertigen. Dies betreffe insbesondere auch Ansammlungen körperlich trainierender Personen in geschlossenen Räumen, da durch das gesteigerte Atemverhalten unter körperlicher Belastung einer Vielzahl von Personen auf engem Raum die Gefahr der Infektion weiterer Personen deutlich erhöht werde. Durch die Schließung der Fitnessstudios werde diese Infektionsquelle ausgeschlossen.

Diese Beschränkung führe auch nicht zu einer unangemessenen Belastung der Antragstellerin. Der mit der Beschränkung verbundene Eingriff in die Grundrechte der Antragstellerin dürfte zwar fraglos Umsatzeinbußen zur Folge haben. Zu berücksichtigen sei aber, dass die Beschränkung zunächst bis zum Ablauf des 19. April 2020 befristet sei. Auch die derzeit im Raum stehende Möglichkeit einer Verlängerung der Schließung werde nur für einen begrenzten Zeitraum erfolgen. Dieser Eingriff sei entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht als „Berufsverbot“ zu qualifizieren, sondern aufgrund der engen zeitlichen Befristung als Berufsausübungsregelung. Die von der Antragstellerin glaubhaft gemachten wirtschaftlichen Verluste seien (noch) nicht als schwerwiegend anzusehen. Dem Eingriff ständen zudem mit der Gewährleistung der Gesundheit der Bevölkerung überwiegende öffentliche Interessen gegenüber.

In weiteren vom 13. Senat entschiedenen Verfahren 13 MN 79/20, 13 MN 82/20 und 13 MN 84/20 lehnte dieser die Normenkontrolleilanträge der Inhaber von Einzelhandelsgeschäften und Warenhäusern ab. Zwar vermöge der Senat nicht verlässlich feststellen, ob die – mit Ausnahme bestimmter Verkaufsstellen – angeordnete Schließung von Verkaufsstellen des Einzelhandels für den Publikumsverkehr und Besuche von ihrem Umfang her als Schutzmaßnahme notwendig sei. Insbesondere sei nicht zu übersehen, ob die Schließung des Einzelhandels als Ausformung des allgemeinen Abstandsgebotes objektiv erforderlich sei oder ob es mildere, gleich geeignete Maßnahmen gebe. Gleiches gelte für die Frage, ob die Schließung unter Berücksichtigung des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeiten und aller sonstigen relevanten Belange, etwa der Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentlicher Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten angemessen sei.

Allerdings führe die danach gebotene Folgenabwägung nicht dazu, dass die Verordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen sei. Die insoweit ohne Ausnahme angeordnete Schließung werde in der (3.) Niedersächsischen Verordnung vom 7. April 2020 bis zum Ablauf des 19. April 2020 befristet, so dass allenfalls noch ein zu erreichender geringer wirtschaftlicher Vorteil und damit verbunden ein geringes Interesse an einer einstweiligen Außervollzugssetzung verbleibe. Die in einer neuen niedersächsischen Verordnung voraussichtlich ab dem 20. April 2020 geltenden Beschränkungen könnten in gegebenenfalls anzustrengenden weiteren Verfahren berücksichtigt werden.

Die Beschlüsse sind unanfechtbar.




Artikel-Informationen

erstellt am:
18.04.2020

Ansprechpartner/in:
RiOVG Heiko Leitsch

Nds. Oberverwaltungsgericht
Pressestelle
Uelzener Str. 40
21335 Lüneburg
Tel: 04131/718-154
Fax: 05141/5937-32300

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln