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Erhebung von Quartiersabgaben nach der Göttinger Quartierssatzung „Weender Straße / Kornmarkt“ scheitert auch beim Oberverwaltungsgericht


Der 9. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschlüssen vom 24. März 2025 (Az.: 9 ME 84/24, u. a.) die Beschwerden der Stadt Göttingen gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 3. Juli 2024, mit denen dieses den Eilanträgen mehrerer Anlieger gegen Abgabenbescheide auf Grundlage der Quartierssatzung „Weender Straße / Kornmarkt“ stattgegeben hatte (Az.: 3 B 172/24, u. a.), zurückgewiesen.

Das im Jahr 2021 in Kraft getretene Niedersächsische Quartiersgesetz (NQG) ermöglicht auf Grundlage des § 171f des Baugesetzbuchs, dass durch die Grundstückseigentümer ein räumlich abgegrenzter Bereich in einem Stadtgebiet benannt wird (sog. Quartier), in dem in Abstimmung mit der jeweiligen Gemeinde Aufwertungsmaßnahmen in privater Verantwortung durchgeführt werden, die eine Abgabenpflicht der dortigen Grundstückseigentümer auslösen. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, kann die Gemeinde durch Erlass einer Satzung die räumlichen Grenzen des Quartiers, die quartiersbezogenen Aufwertungsmaßnahmen und ihre Finanzierung durch Abgaben festlegen. Widersprechen mehr als 30 % der Eigentümer von im Quartier gelegenen Grundstücken einer solchen Satzung, steht dies ihrem Erlass entgegen.

In Göttingen beantragte ein Förderverein im Juli 2023, entsprechende Maßnahmen im Bereich der Göttinger Fußgängerzone Weender Straße / Kornmarkt durchzuführen. Das vorgelegte Konzept mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von knapp einer Million Euro sieht über einen Zeitraum von 5 Jahren unter anderem Maßnahmen wie die Schaffung von „Cool Spots“ im Sommer, einen Straßenhausmeisterservice, eine Leerstandsaufwertung, ein kostenloses WLAN, eine Kinderbetreuung sowie Veranstaltungen und Werbemaßnahmen vor. Nachdem das Widerspruchsquorum von mehr als 30 % nicht erreicht wurde, beschloss der Rat der Stadt Göttingen Anfang 2024 die Quartierssatzung „Weender Straße / Kornmarkt“, nach der die genannten Maßnahmen auf Kosten der Eigentümer der im Quartier gelegenen Grundstücke durchzuführen sind. Im April 2024 wurden entsprechende Abgabenbescheide erlassen.

Das Verwaltungsgericht hatte in den dortigen Eilverfahren die aufschiebende Wirkung der Klagen mehrerer Anlieger gegen die Abgabenbescheide angeordnet (vgl. die Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 05.07.2024).

Die hiergegen gerichteten Beschwerden der Stadt Göttingen hat der 9. Senat am 24. März 2025 zurückgewiesen und damit die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts bestätigt. Die Stadt Göttingen habe weder mit der Begründung ihrer Beschwerde noch mit der rückwirkenden Änderung der Quartierssatzung am 16. August 2024 die erheblichen Zweifel des Verwaltungsgerichts an der Vereinbarkeit der Quartierssatzung mit höherrangigem Recht und damit an einer wirksamen Rechtsgrundlage für die Abgabenbescheide ausräumen können.

Auch nach der Auffassung des Senats habe die Stadt die Betroffenen vor Erlass der Satzung nicht hinreichend über die Folgen unterrichtet. Das an die Grundstückseigentümer übersandte Informationsschreiben habe nur auf die Auslage des „Handlungskonzepts“ verwiesen und keinerlei Hinweis auf die finanzielle Komponente einer Quartierssatzung und die damit verbundene Abgabenerhebung enthalten. Daher könne sich die Stadt nicht darauf berufen, das Widerspruchsquorum sei nicht erreicht. Denn wer die finanzielle Tragweite einer beabsichtigten Quartierssatzung nicht hinreichend erkennen könne, erfasse auch nicht die Relevanz einer möglichen Widerspruchseinlegung. Aufgrund des Rechtsstaatsprinzips spreche vieles für das Erfordernis, in das Informationsschreiben einen ausdrücklichen Hinweis auf die aus einer Satzung resultierende Abgabenpflicht aufnehmen zu müssen. Zudem genüge die Quartiersabgabe als Sonderabgabe voraussichtlich nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Stadt Göttingen habe insoweit die Bedenken nicht ausräumen können, dass die bauplanungsrechtliche Situation innerhalb des Quartiers „Weender Straße / Kornmarkt“ zu inhomogen sei, um eine - wie hier durch die Satzung vorgesehene - einheitliche Heranziehung zu der Sonderabgabe zu ermöglichen.

Der Beschluss des Senats ist unanfechtbar.

Damit müssen die an diesen gerichtlichen Eilverfahren beteiligten Grundstückseigentümer die gegenüber ihnen erhobenen Quartiersabgaben zunächst nicht zahlen. Die abschließende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Abgaben wird in den noch anhängigen Klageverfahren getroffen werden.

Die Entscheidung wird zeitnah in der kostenfrei zugänglichen Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Justiz (https://voris.wolterskluwer-online.de, dort unter Inhaltsverzeichnis und Rechtsprechung) veröffentlicht werden.

Artikel-Informationen

erstellt am:
25.03.2025

Ansprechpartner/in:
RiOVG Harald Kramer

Nds. Oberverwaltungsgericht
Pressestelle
Uelzener Straße 40
21335 Lüneburg
Tel: 04131/718-127
Fax: 05141/5937-32300

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