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Kein Streikrecht für verbeamtete Lehrer

Der 20. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Berufungsurteilen vom 12. Juni 2012 - 20 BD 7/11 und 20 BD 8/11 - entschieden, dass die Niedersächsische Landesschulbehörde die Teilnahme von verbeamteten Lehrern an einem Streik zu Recht disziplinarrechtlich mit einer Geldbuße geahndet hat.

Die im Schuldienst des Landes Niedersachsen tätigen Kläger sind Mitglieder der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft - GEW - und haben am 25. Februar 2009 während der Unterrichtszeit in Hannover an einem von der GEW durchgeführten Streik teilgenommen. Wegen der Teilnahme an diesem Streik ist gegen die Kläger ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Die beklagte Niedersächsische Landesschulbehörde hat das Verhalten der Kläger disziplinarrechtlich mit einer Geldbuße von jeweils 100,00 EUR geahndet. Die gegen die Disziplinarverfügungen erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht Osnabrück mit Urteilen vom 19. August 2011 abgewiesen. Die Kläger haben die von dem Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, die der 20. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts nunmehr zurückgewiesen hat.

Zur Begründung hat der 20. Senat ausgeführt, dass nach deutschem Recht für Beamte ein generelles Streikverbot besteht. Es könnten zwar gewisse Gesichtspunkte dafür sprechen, dass ein Streikverbot für verbeamtete Lehrer mit europäischem Recht - insbesondere im Hinblick auf Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - nicht mehr vereinbar ist. Dies bedarf im vorliegenden Verfahren aber keiner abschließenden Prüfung. Denn selbst wenn unterstellt würde, dass das generelle Streikverbot für deutsche Beamte - insbesondere für verbeamtete Lehrer - gegen Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt, war die Streikteilnahme der Kläger gleichwohl nicht zulässig. Eine grundsätzlich gebotene völkerrechtsfreundliche Auslegung des deutschen Grundgesetzes ist dem Senat im vorliegenden Fall nicht möglich. Denn bei einer Anpassung des deutschen Rechts an die Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte würde der Kernbestand des Grundgesetzes berührt. Das in der deutschen Verfassung verankerte Berufsbeamtentum ist ein ausbalanciertes System von gegenseitigen Rechten und Pflichten der Beamten einerseits und ihrer Dienstherren andererseits. Dieses System würde durch ein Streikrecht der Beamten grundlegend gestört. Die Zulassung des Streikrechts für Beamte müsste eine strukturelle Veränderung der im Grundgesetz geregelten Traditionsprinzipien nach sich ziehen. Zu einer solchen Änderung der beamtenrechtlichen Strukturen ist der Senat als Fachgericht nicht befugt. Eine Anpassung der deutschen Verfassungsgrundsätze an das europäische Recht könnte vielmehr nur durch eine Änderung des Grundgesetzes erfolgen, die der Verfassungsgesetzgeber zu beschließen hätte.

Die Urteile sind rechtskräftig.

Artikel-Informationen

erstellt am:
12.06.2012

Ansprechpartner/in:
RiOVG Sven-Marcus Süllow

Nds. Oberverwaltungsgericht
Pressestelle
Uelzener Straße 40
21335 Lüneburg
Tel: 04131 718 - 236
Fax: 04131 718 - 208

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