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Keine vorläufige Außervollzugsetzung der verschärften coronabedingten Kontaktbeschränkungen

Der 13. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 18. Januar 2021 einen Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung der durch eine Änderungsverordnung vom 8. Januar 2021 verschärften Kontaktbeschränkungen in §§ 2 Abs. 1 und 6 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung abgelehnt (Az.: 13 MN 11/21).

Durch die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 8. Januar 2021 (Nds. GVBl. S. 3) sind die in der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 geregelten Kontaktbeschränkungen für den öffentlichen und privaten Raum noch einmal deutlich verschärft worden. § 2 Abs. 1 Satz 1 der zuvor geltenden Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 (in der Fassung vom 22. Dezember 2020) beschränkte den Aufenthalt mit anderen Personen auf insgesamt fünf Personen, die dem eigenen oder einen weiteren Hausstand angehörten, wobei Kinder bis einschließlich 14 Jahren nicht einzurechnen waren. Eine entsprechende Beschränkung enthielt § 6 Abs. 1 Satz 1 der zuvor geltenden Verordnung für private Zusammenkünfte und Feiern. Durch die Änderungsverordnung vom 8. Januar 2021 ist es grundsätzlich nur noch gestattet, dass sich ein Hausstand mit einer weiteren Person in der Öffentlichkeit aufhält bzw. eine entsprechende private Zusammenkunft oder Feier stattfindet. Dabei sind auch Kinder jedweden Alters von der Beschränkung erfasst.

Gegen diese Verschärfung hat sich ein in Niedersachsen in einem gemeinsamen Hausstand lebendes Ehepaar mit einem Normenkontrolleilantrag gewandt. Zur Begründung hat es geltend gemacht, dass die Verschärfung der Kontaktbeschränkung ohne jedwede Ausnahme für Familien sie in ihrem Grundrecht aus Art. 6 GG verletze. Es werde ihnen unmöglich gemacht, ihren vier erwachsenen, in eigenen Hausständen lebenden Kindern gleichzeitig die gebotene Hilfe und Unterstützung zu gewähren.

Der 13. Senat hat den Antrag nach einer sogenannten Folgenabwägung abgelehnt. Zwar sei für den Senat zweifelhaft, ob die Verschärfung der Kontaktbeschränkungen auf grundsätzlich nur noch eine hausstandsfremde Person in Gänze eine notwendige Schutzmaßnahme darstelle, allerdings ergebe eine Folgeabwägung, dass die insoweit bestehenden Zweifel eine umfassende Außervollzugsetzung der Bestimmungen nicht rechtfertige.

Die Verschärfung verfolge mehrere legitime Ziele. Es sei nicht zu beanstanden, wenn die Maßnahmen darauf gerichtet seien, im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu vermeiden.

Die Verschärfung der Kontaktbeschränkung habe der Verordnungsgeber unter Berücksichtigung des ihm zukommenden Einschätzungsspielraums auch noch für erforderlich halten dürfen. Der private Haushalt stelle den Raum dar, in welchem die meisten Ausbruchsgeschehen stattfänden. Die zuvor verordnete Beschränkung auf insgesamt nicht mehr als fünf Personen (zuzüglich Kindern bis 14 Jahren) habe der Verordnungsgeber angesichts weiterhin hoher Infektionszahlen zwar nicht als völlig wirkungslos, aber doch als unzureichend ansehen dürfen. Mildere, aber in ihrer Wirkung gleich effektive Mittel, die auch die Allgemeinheit oder Dritte nicht stärker belasteten, drängten sich dem Senat nicht auf.

Die Verschärfung könne, auch wenn sie die Intensität der Eingriffe in die Grundrechte aus Art. 6 GG und Art. 2 Abs. 1 GG deutlich erhöhe, grundsätzlich noch als angemessener Ausgleich zwischen den Grundrechten der Betroffenen und den legitimen Zielen des Verordnungsgebers angesehen werden. Die Kontaktbeschränkung schreibe unverändert nicht vor, wie in einem Hausstand lebende Personen ihren Alltag gestalten dürften. Die Betroffenen seien auch nach der Verschärfung nicht gehindert, sich mit jeder beliebigen Person ohne Einhaltung von Infektionsschutzmaßnahmen individuell privat zu treffen. Als Alternativen für die Zusammenkunft mit mehreren Personen stünden die jederzeit möglichen Kontaktaufnahmen über Fernkommunikationsmittel zur Verfügung. Bestehe in einer Person ein dringender besonderer Anlass, eine größere Anzahl hausstandsfremder Personen zu treffen, so könne dies jedenfalls nacheinander erfolgen.

Erhebliche Zweifel an der Angemessenheit der Verschärfung bestünden aber zum einen dort, wo die Kontaktbeschränkung den von ihr Betroffenen die Teilhabe am sozialen Leben in der Gemeinschaft vollständig unmöglich mache oder unzumutbar erschwere, zum anderen, wo tatsächlich bestehende familiäre Strukturen nicht angemessen berücksichtigt würden. Zwar habe der Verordnungsgeber diese Problematik erkannt, er habe sie aber für einzelne Fallgestaltungen nur unzureichend gelöst. So seien erforderliche Ausnahmen für Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder Pflegebedürftigkeit geregelt worden. Nicht geregelt habe der Verordnungsgeber indes die Fallgestaltungen, in denen etwa kleinen Kindern eine soziale Teilhabe nur mittels einer Begleitperson möglich sei. Nach der Verschärfung sei es etwa ausgeschlossen, dass ein kleines Kind, das zwingend auf die Begleitung durch jedenfalls ein Elternteil angewiesen sei, die in einem anderen Hausstand lebenden Angehörigen oder Dritten gemeinsam jedenfalls mit dem es begleitenden Elternteil aufsuche oder sich mit diesen gemeinsam in der Öffentlichkeit aufhalte. Dies grenze dieses kleine Kind von jedweder sozialen Teilhabe aus. Diese Ausgrenzung dürfte auch angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens unangemessen sein.

Der Senat hat nach einer Folgenabwägung gleichwohl eine Außervollzugsetzung der Verschärfung der Kontaktbeschränkungen abgelehnt. Dabei hat er berücksichtigt, dass die Verschärfung, deren Angemessenheit zweifelhaft sei, de Antragsteller selbst nicht beträfen und der Verordnungsgeber insoweit bereits eine Änderung der Verordnungsregelungen in Aussicht gestellt habe. Jedenfalls ergebe die Folgeabwägung, dass eine Außervollzugsetzung, die umfassend und allgemeingültig wirkte, im Hinblick auf die lediglich für einzelne Fallgestaltungen unzureichende Ausgestaltung der Kontaktbeschränkung nicht angezeigt sei. Hierbei sei mit einzustellen, dass es sich bei den in weit überwiegendem Maße rechtmäßigen Kontaktbeschränkungen um einen zentralen und wichtigen Baustein in der komplexen Pandemiebekämpfungsstrategie handele.

Der Beschluss ist unanfechtbar.



§ 2 Abs. 1 Satz 1 bis 3 und § 6 Abs. 1 Satz 1 der Corona-Verordnung in der maßgeblichen Änderungsverordnung vom 8. Januar 2021 lauten:

§ 2 Abs. 1 Satz 1 bis 3

Jede Person darf sich in der Öffentlichkeit außerhalb der eigenen Wohnung nur allein oder mit Personen, die dem eigenen Hausstand angehören, und höchstens einer weiteren Person oder als Einzelperson mit mehreren Personen aus einem gemeinsamen Hausstand aufhalten. Begleitpersonen oder Betreuungskräfte, die erforderlich sind, um Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder Pflegebedürftigkeit eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen, werden nicht eingerechnet. Eine weitere Person ist zulässig, soweit diese Dritte im Sinne des § 1684 Abs. 4 Satz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist.

§ 6 Abs. 1 Satz 1 bis 3

Private Zusammenkünfte und Feiern, die

1. in der eigenen Wohnung oder anderen eigenen geschlossen Räumlichkeiten,

2. auf eigenen oder privat zur Verfügung gestellten Flächen unter freiem Himmel wie zum Beispiel in zur eigenen Wohnung gehörenden Gärten oder Höfen oder

3. in der Öffentlichkeit, auch in außerhalb der eigenen Wohnung zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten,

stattfinden, sind nur mit Personen des eigenen Hausstands und höchstens einer weiteren Person oder als Einzelperson mit mehreren Personen aus einem gemeinsamen Hausstand zulässig. Begleitpersonen oder Betreuungskräfte, die erforderlich sind, um Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder Pflegebedürftigkeit eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen, werden nicht eingerechnet. Eine weitere Person ist zulässig, soweit diese Dritte im Sinne des § 1684 Abs. 4 Satz 3 BGB ist.


§ 2 Abs. 1 Satz 1 und § 6 Abs. 1 Satz 1 der Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020, zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Dezember 2020 (alte Fassung) lauteten:

§ 2 Abs. 1 Satz 1

Jede Person darf sich in der Öffentlichkeit außerhalb der eigenen Wohnung nur mit Personen, die dem eigenen oder einem weiteren Hausstand angehören, insgesamt aber mit nicht mehr als fünf Personen aufhalten, wobei Kinder bis einschließlich 14 Jahren nicht einzurechnen sind und für Angehörige im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) die Hausstandszugehörigkeit nicht maßgeblich ist.


§ 6 Abs. 1

Private Zusammenkünfte und Feiern, die

1. in der eigenen Wohnung oder anderen eigenen geschlossen Räumlichkeiten,

2. auf eigenen oder privat zur Verfügung gestellten Flächen unter freiem Himmel wie zum Beispiel in zur eigenen Wohnung gehörenden Gärten oder Höfen oder

3. in der Öffentlichkeit, auch in außerhalb der eigenen Wohnung zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten,

stattfinden, sind nur mit Angehörigen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie mit Personen, die dem eigenen oder einem weiteren Hausstand angehören, höchstens aber mit insgesamt nicht mehr als fünf Personen zulässig, wobei Kinder bis einschließlich 14 Jahren nicht einzurechnen sind.

Artikel-Informationen

erstellt am:
19.01.2021

Ansprechpartner/in:
RiOVG Heiko Leitsch

Nds. Oberverwaltungsgericht
Pressestelle
Uelzener Str. 40
21335 Lüneburg
Tel: 04131/718-154
Fax: 05141/5937-32300

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