Verjährung der Rückforderung von Rindersonderprämie
Der 10. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat sich mit der Frage befasst, welche gemeinschaftsrechtlichen Verjährungsvorschriften bei der Rückforderung von zu Unrecht gewährten Agrarbeihilfen in Gestalt der Rindersonderprämie Geltung beanspruchen.
Mit zwei Urteilen vom 19. Januar 2010 hat der Senat entschieden, dass für die Verjährung die in Art. 49 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission - einer spezifischen Verordnung über ein Kontrollsystem bei Agrarbeihilfen - bestimmte zehnjährige Verjährungsfrist einschlägig ist. Der Senat ist hingegen nicht der vom Verwaltungsgericht Stade vertretenen Auffassung gefolgt, dass die kürzere achtjährige Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates, die als allgemeine Rahmenregelung dem Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften dienen soll, einschlägig sei. Nach Auffassung des Senats hat die speziellere gemeinschaftsrechtliche Verjährungsregelung Vorrang. Die demnach regelmäßig geltende zehnjährige Verjährungsfrist hat mit der Zahlung der in den Streitfällen für das Jahr 1995 gewährten Prämien begonnen und war im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Rücknahme- und Rückforderungsbescheide überwiegend noch nicht verstrichen. Es greift auch nicht die in Art. 49 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 vorgesehene Verkürzung der Verjährung auf vier Jahre ein, weil die begünstigten Landwirte bei der Führung ihrer Rinderbestandsregister, deren Vollständigkeit und Richtigkeit der Senat als Prämienvoraussetzung ansieht, und dem anschließenden Prämienbezug nicht in gutem Glauben gehandelt haben. Die Führung der Bestandsregister war in vielfacher Hinsicht fehlerhaft und damit prämienschädlich. Dass sich die Kläger möglicherweise nicht über die rechtlichen Folgen der fehlerhaft geführten Bestandsregister im Klaren waren, vermag nach Auffassung des Senats eine zu einer kürzeren Verjährung der Rückforderungsmöglichkeit führende Gutgläubigkeit nicht zu begründen.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die nunmehr entschiedenen Berufungsverfahren als Musterverfahren "vorgezogen" und im Hinblick auf die Frage der Anwendbarkeit der gemeinschaftsrechtlichen Verjährungsregelungen die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.