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Kirchliche Stiftungen unterliegen nicht der Kontrolle durch staatliche Gerichte

Rechtsakte einer kirchlichen Stiftung unterliegen nicht der Kontrolle durch staatliche Gerichte. Das hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg kürzlich in einem Eilverfahren entschieden. Anlass des Rechtsstreits war, dass die Evangelisch-reformierte Kirche unter Anordnung der sofortigen Vollziehung den Vorstand der kirchlichen Stiftung Johannes A Lasco Bibliothek Große Kirche Emden abberufen und sein Anstellungsverhältnis für beendet erklärt hat (Beschluss des 8. Senats vom 14.12.2010 - 8 ME 276/10).
Der Antragsteller war seit 1993 Vorstandsmitglied und seit 2001 alleiniger hauptamtlicher Vorstand der Stiftung Johannes A Lasco Bibliothek, einer international anerkannten wissenschaftlichen Fachbibliothek und Forschungsstätte für den reformierten Protestantismus und die Konfessionsgeschichte der frühen Neuzeit. Die Johannes A Lasco Bibliothek hat im Jahr 2001 vom Deutschen Bibliotheksverband den Preis "Bibliothek des Jahres" erhalten. Im März 2001 ging der Antragsteller mit verschiedenen Banken Verträge über die Verwaltung des Stiftungskapitals ein, wonach die Banken bis zu 80 v. H. des ihnen anvertrauten Kapitals in Aktien anlegen durften und dies in der Folge auch taten. Hierdurch verminderte sich das Kapitalvermögen der Stiftung in den Jahren seit 2001 in ganz erheblicher Weise. Die Johannes A Lasco Bibliothek musste zeitweise schließen. Nach Ermittlung der Ursachen und Umstände der Verminderung des Stiftungskapitals verfügte die Evangelisch-reformierte Kirche als Stiftungsaufsicht die Abberufung des Antragstellers als Stiftungsvorstand und die Beendigung seines Anstellungsverhältnisses. Gegen diese Verfügungen hat der Antragsteller zunächst das Gemeinsame kirchliche Verwaltungsgericht in Detmold und den Verwaltungsgerichtshof der Union der Evangelischen Kirchen in der EKD in Hannover angerufen. Nachdem diese kirchlichen Gerichte aufgrund eingehender Prüfung das Rechtsschutzersuchen abgelehnt hatten, wandte sich der Antragsteller mit inhaltsgleichen Anträgen an die staatlichen Gerichte. Das hier zunächst zuständige Verwaltungsgericht Oldenburg hat in seiner Entscheidung vom 27. Oktober 2010 die Möglichkeit einer Rechtsschutzgewährung durch staatliche Gerichte prinzipiell bejaht, diese aber auf eine bloße Wirksamkeitskontrolle beschränkt und den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Ergebnis abgelehnt.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat der 8. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zurückgewiesen. Die in den angefochtenen Verfügungen der Evangelisch-reformierten Kirche getroffenen stiftungsrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen sind nach Auffassung des Senats keine Akte staatlicher Gewalt, sondern Maßnahmen des innerkirchlichen Rechts. Als solche unterliegen sie nicht der Kontrolle durch die staatliche Gerichtsbarkeit. Denn nach dem kirchenrechtlichen Regelungssystems des Grundgesetzes ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes selbständig (Artikel 140 GG i.V.m. Artikel 137 WRV). Damit erkennt der Staat die Kirchen als Institutionen mit dem Recht der Selbstbestimmung an, die ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat sind und ihre Gewalt nicht von ihm herleiten. Die Folge ist, dass der Staat in ihre inneren Angelegenheiten nicht eingreifen darf und Kirchen dort, wo sie über das Recht zur Selbstbestimmung verfügen, auch nicht der Jurisdiktionsgewalt des Staates unterliegen.
Ist, wie im entschiedenen Fall, eine Stiftung organisatorisch oder institutionell einer Kirche zuzuordnen, unterfallen Ordnung und Verwaltung dieser Stiftung dem verfassungskräftig gewährleisteten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht und sind deshalb vor staatlicher Einflussnahme geschützt. Von Kirchenbehörden getroffene stiftungsaufsichtliche Maßnahmen gegenüber einer kirchlichen Stiftung und deren Organen sind Bestandteil dieser garantierten Selbstbestimmung und daher innerhalb des von Artikel 137 Abs. 3 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung gezogenen Rahmens einer Kontrolle durch die staatlichen Gerichte von vornherein entzogen.
Die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar.

Artikel-Informationen

erstellt am:
21.12.2010

Ansprechpartner/in:
RiOVG Sven-Marcus Süllow

Nds. Oberverwaltungsgericht
Pressestelle
Uelzener Straße 40
21335 Lüneburg
Tel: 04131 718 - 236
Fax: 04131 718 - 208

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