Artikel-Informationen
erstellt am:
29.11.2016
Ansprechpartner/in:
VRi' in OVG Andrea Blomenkamp
Nds. Oberverwaltungsgericht
Pressestelle
Uelzener Str. 40
21335 Lüneburg
Tel: 04131-718 187
Fax: 0 5141/5937-32300
Der 8. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Urteil vom 15. November 2016 (Az. 8 LB 92/15) entschieden, dass ein kosovarischer Asylbewerber nicht nach Ungarn zur Durchführung eines Asylverfahrens rücküberstellt werden darf.
Der alleinstehende Kläger war im Jahre 2013 u.a. über Ungarn in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hatte hier einen Asylantrag gestellt. Auf ein entsprechendes Ersuchen der Bundesrepublik Deutschland hatte der an sich zuständige Mitgliedstaat Ungarn im Rahmen des Dublin-Verfahrens einer Rücküberstellung des Klägers zur Durchführung des Asylverfahrens zugestimmt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte daraufhin den Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt und dessen Abschiebung nach Ungarn angeordnet.
Das Verwaltungsgericht Hannover hatte zunächst die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge angeordnet und diesen Bescheid im nachfolgenden Klageverfahren mit Urteil vom 19. März 2015 aufgehoben (Az. 12 A 1152/14). Zur Begründung hatte das Verwaltungsgericht auf systemische Mängel im ungarischen Asylverfahren verwiesen. Hiergegen richtete sich die Berufung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.
Der 8. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat die Berufung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zurückgewiesen und die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt. Auch der Senat ist davon überzeugt, dass der Zugang zum Asylverfahren in Ungarn, dessen Ausgestaltung und die Aufnahmebedingungen während des Asylverfahrens im November 2016 systemische Mängel aufweisen, die für den Kläger die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer drohenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen. Bei einer Rücküberstellung nach Ungarn droht dem Kläger eine Inhaftierung ohne individualisierte Prüfung von Haftgründen. Die Haftbedingungen in den ungarischen Asylhaftanstalten lassen erhebliche Mängel und Missstände erkennen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass Ungarn Dublin-Rückkehrer ohne inhaltliche Prüfung ihrer Asylanträge weiter nach Serbien als „sicheren Drittstaat“ abschiebt, wo ein Asylverfahren, das eine inhaltliche Prüfung der Fluchtgründe garantiert, nicht existiert. Unabhängig von diesen systemischen Mängeln sieht der Senat die Ablehnung des Antrags auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens auch deshalb als rechtswidrig an, weil eine realistische Möglichkeit, dass der Kläger innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft nach Ungarn überstellt werden könnte, nicht besteht.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts steht dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht zu.
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29.11.2016
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